Siedlungen & Gärten

Wenn wir heute unsere Landschaften nach ihren Inhalten und Arten bewerten müßten, würden wir zu überraschenden Ergebnissen kommen. So stellt sich in immer mehr Studien heraus, dass in Siedlungen und Gartenanlagen bald mehr Arten zu finden sind, wie in den natürlichen Lebensräumen. Der Grund dafür liegt in den vielfältigen Strukturen. In einem Gemüse-Garten wird nicht nur der Boden händisch bearbeitet und dadurch Humus aufgebaut, er wird auch mit einem Holzzaun eingefaßt, der als Totholz oder als Standort für Moose und Flechten, den Pionierarten dienen kann. Viel Obstbäume bedeutet viel Zucker und Nahrung über das Jahr verteilt. Das lockt Vögel oder Säugetiere an. Unter den Beton-Platten im Garten siedeln Ameisenvölker und im Kompost leben Rotwürmer und Ringelnattern. Eine Hecke dient der Meise als Brutplatz, vom Laub zersetzen leben Pilzarten. Im Rasen blühen Gänseblümchen, Löwenzahn oder Ferkelkraut. Sie vertragen die wöchentliche Mahd mit dem Rasenmäher, weil ihre Grundblattrosetten weiterhin Photosynthese betreiben können. Der Kampf des Menschen mit der Natur ist verloren. Die Natur hat auch Einzug in das Haus genommen. Im Keller halten sich Winkelspinnen, Kellerasseln oder Silberfischchen, im Schlafzimmer sitzt die Zitterspinne und lauert auf Beute. Gelsen suchen blutdürstend nach schlafenden Blutspendern. Eintagsfliegen zersetzen Zuckerreste auf dem Küchentisch und Essigfliegen legen ihre Eier ins Abflussrohr. Im Dachstuhl herrscht dichtes Gedränge unter den Fledermäusen. Ein Hornissenkrug hängt am Giebelbalken. Ein Siebenschläfer sucht sich ein Plätzchen. In der Dachrinne machen es sich die Sperlinge gemütlich. Auf der frisch gestrichenen Wand findet man plötzlich dichte Gespinste der Mauerspinne. Ein Heupferd sitzt auf der Thujenhecke und im Kanal verstopft ein Nutria den Abfluss. Am Kirchturm brüten die Bergdohlen und wecken mehr Leute auf, als es die Glocken tun. Wenn der Storch noch im Dorf brütet, ist auch das Umland noch einigermaßen ok!
Der Hang zur Natur im Garten gibt uns Menschen ein wenig Rückhalt in der heutigen technologisierten Welt. Doch viele verstehen Natur nur in Form von blütenreichen Ziersträuchern, Rosenstöcken oder Tulpenecken. Diese werden mit viel Gift von Ungeziefer frei gehalten oder mit Handelsdünger versorgt, weil die Erde in den Blumentöpfen, in denen sie geliefert wurden, bereits ausgebrannt ist. Mit Torf wird da gearbeitet, obwohl dafür irgendwo anders Moore zerstört werden und viele Tiere und Pflanzen ihren Lebensraum verlieren. Wir können aber auch etwas tun. Nehmen wir nur heimische Pflanzen, erzeugen wir selbst Humus im Garten, lassen wir ein Stück des Rasens stehen, damit Blumen blühen können. Bei der Pflege des Rasens und der Bäume beachten, dass diese nicht an der Stammbasis verletzt werden dürfen. So können sie alt werden und zahlreichen Lebewesen Unterschlupf bieten. Nisthilfen für Vögel, Hummeln und Wildbienen errichten. Den Dachstuhl für Fledermäuse offen halten. Mit alten, von Flechten besetzten Tondachziegeln im Garten ein kleines Gartenhäuschen eindecken. Einen Stein in den Garten setzen unter dem sich einiges Getier tummeln darf. Und Totholz im Garten belassen! Die Natur wird es danken.

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